2. und 3. Welle der Verhaltenstherapie

Verhaltenstherapie

Die Verhaltenstherapie geht davon aus, dass aktuelle Leiden meist auf eingefahrenen Vorstellungen und Reaktionsmustern beruhen, die wir im Laufe des Lebens erlernt haben. Das bedeutet aber auch, dass es möglich ist, etwas neues zu lernen und sich weiterentwickeln.

Im Vordergrund der Verhaltenstherapie stehen die Beschwerden in der aktuellen Situation – entwicklungsgeschichtliche Prägungen können miteinbezogen werden, um Lebensmuster zu erkennen und zu bearbeiten. Zur Entwicklung neuer Sicht- und Verhaltensweisen, können verschiedene anschauliche Übungen zum Einsatz kommen, wie z.B. Übungen zu Achtsamkeit, Aufmerksamkeitslenkung, Vorstellungsübungen (mentales Training), Rollenspiele und Entspannungsverfahren.

Während in den kognitiven Verfahren der sog. 2. Welle der Verhaltenstherapie die neg. verzerrten Einstellungen und Denkweisen benannt und verändert werden (als Ursache für Störungen des Verhaltens und Erlebens), geht es in den Verfahren – die zur sog. 3 Welle der Verhaltenstherapie zählen – mehr um die Art und Weise des Umgangs mit belastenden Gedanken, Gefühlen und Einstellungen.

3. Welle der Verhaltenstherapie
In den Verfahren der dritten Welle der Verhaltenstherapie liegt der Schwerpunkt auf der inneren Haltung, auf Achtsamkeit, Gewahrsein,
Akzeptanz, Mitgefühl und persönlichen Werten, auf der Befreiung von belastenden Denk- und Verhaltensmustern. Bei der Entstehung wurden Aspekte aus anderen Therapierichtungen (z.B. Gestalttherapie, Psychoanalyse) oder auch fernöstliche Weisheitslehren (z.B. Buddhismus) integiert. Die Therapien helfen beim Aufbau neuer Sicht- und Verhaltensweisen, bei der Entwicklung einer achtsamkeits- und werteorientierten Haltung, bei der Veränderung problematischer Denkmuster, bei der Bearbeitung von langanhaltenden Beziehungsproblemen und leidvollen Lebensmustern.

Die Akzeptanz- und Commitmenttherapie (ACT) wurde von Steven C. Hayes in den 90 er Jahren entwickelt.

Ziel der ACT ist ein akzeptierender Umgang mit sich selbst und ein werteorientiertes Leben. Im Zentrum steht die Förderung der psychischen Flexibilität, um trotz permanenter innerer und äußerer Veränderungsprozesse, die eigenen Lebensziele verfolgen zu können. Das beinhaltet im gegenwärtigen Moment voll und ganz präsent sein zu können und das eigene Verhalten zu ändern oder auch beharrlich beizubehalten – je nachdem, was im Hinblick auf die aktuelle Situation und die eigenen wertebezogenen Ziele nützlich ist.

Die psychische Flexibilität wird durch 6 Ansatzpunkte gefördert, die miteinander in wechselseitiger Beziehung stehen. Diese Fertigkeiten und Haltungen werden in der Therapie wechselseitig bearbeitet.

  • Gegenwärtigkeit (Im Augenblick präsent sein können, statt ständig gedanklich in Vergangenheit und Zukunft abzutauchen)
  • Werte (Summe aller Vorstellungen von einem gut gelebten Leben)
  • Commitment (innere Festlegung auf best. Werte, Ziele und Handlungen und deren Verfolgung)
  • Selbst als Kontext (Die Fähigkeit sich selbst im Kontext des eigenen Erlebens sehen, anstelle eines festen gedanklichen Bildes von sich selbst)
  • Defusion (Haltung gegenüber unseren Gedanken mit Abstand, damit sie nicht automatisch Handlungen nach sich ziehen)
  • Akzeptanz (Fähigkeit sich eigenen inneren Reaktionen (Gefühlen, Gedanken, Impulsen, körperlichen Reaktionen) gegenüber öffnen und sie so anzunehmen wie sie sind, anstatt sie vermeiden, loswerden oder verändern zu müssen

Die Compassion Focused Therapie (CFT) wurde von Paul Gilbert in den 90er Jahren bei psychischen Problemen in Zusammenhang mit niedrigem Selbstwert, Selbstkritik und Scham entwickelt.

In der CFT geht es um die Entwicklung von Compassion (Mitgefühl) – für sich selbst und anderen gegenüber. Dies kann zum Erleben von innerer Ruhe, Wohlwollen und Freude beitragen.

Mit Compassion sind dabei zwei Aspekte gemeint, die über reines „Mitfühlen/Mitleiden“ hinausgehen: Einfühlungsvermögen und Verständnis: Die Fähigkeit sich auch auf unangenehme Gefühle einzulassen, und diese zu verstehen und zweitens Engagement und Kompetenz: Die Bereitschaft sich dafür einzusetzen, dass man selbst und andere Menschen sich zufrieden, sicher, geborgen und wohl fühlen können.

Die CFT bezieht eine neuro- sozial- und evolutionspsychologischen Sichtweise mit ein:
Seit der späten Steinzeit haben sich 3 zentrale Systeme im Gehirn entwickelt, die die unterschiedlichen Emotionen regulieren. Alle drei Systeme agieren und interagieren miteinander über neurochemische Mechanismen.

  • Bedrohungs- und Selbstschutzsystem
  • Das Anreiz- und belohnungssuchende System
  • Das Besänftigungs,- Zufriedenheits und Sicherheitssystem

Menschen, deren primäre Lebensgeschichte von hoher Unsicherheit, Gefahr und Demütigung geprägt sind, tendieren dazu, zwischen den Systemen „Bedrohung“ und „Belohnung“ zu pendeln. Sie haben oft Schwierigkeiten, Ruhe, Geborgenheit und soziale Zugehörigkeit und Kooperation zu erleben.
Dies ist der Ausgangspunkt für die CFT – mit Compassion als psychologischem Nährstoff für das Besänftigungssystem.

 

 

Die Metakognitive Therapie (MCT) wurde von Adrian Wells in den 90er Jahren entwickelt und geht davon aus, dass psychisches Leid durch übergeordnete problematische Denkmuster entsteht.

Gedanken und Emotionen tauchen auf und lösen sich wieder auf. Wo sind all die unzähligen Gedanken geblieben, die wir einen Tag vorher gedacht haben? Angenehm oder nicht – sie sind weg. Negative belastende Gedanken kennt jeder Mensch, aber die Art und Weise, aber „wie“ wir mit diesen Gedanken dann umgehen, wie wir unsere Aufmerksamkeit lenken, führt zu mehr oder weniger Leid.

Werden bestimmte leidbringende Gedanken permanent wiederholt und damit emotionale Reaktionen wie Angst, Traurigkeit, Scham aufrechterhalten, hat dies maßgeblichen Einfluss auf die Entwicklung von psychische Störungen. Ob wir Gedanken verwerfen, vorbei ziehen lassen oder schwer unter ihnen leiden, hängt nach der MCT von einem bestimmten Stil und Strategien kognitiver Prozesse ab. Verantwortlich dafür sind die sog. Metakognitionen. Metakognitionen sind Überzeugungen über Kognitionen, kognitive Prozesse und Prozesse der Aufmerksamkeitslenkung. Sie steuern das Denken und emotionale Zustände, bewerten und verursachen ein bestimmtes Muster im Umgang mit inneren Erlebnissen.

Sie beeinflussen, ob eine Person auf einen automatischen Gedanken, wie z.B. „Ich bin ein Versager“ mit ausgiebigem Grübeln reagiert – weil sie die mehr oder weniger bewusste Metaüberzeugung hat, „Grübeln hilft mir etwas zu verändern“, oder ob sie sich rationale Möglichkeiten überlegt, wie sie beim nächsten Mal die Situation besser meistern kann und dazu auch schon erste Maßnahmen einleitet.

Mit dem Fachbegriff „kognitives Aufmerksamkeitssyndrom (CAS)“ werden die problematischen kognitiven Strategien bezeichnet, die zu einer Verschlechterung und Aufrechterhaltung psychischer Störungen führen, wenn sie unflexibel und dauerhaft sind: Sorgen, Grübeln, fixierte Aufmerksamkeit auf Gefahrensignale (Bedrohungsmonitoring), nicht hilfreiche Bewältigungstrategien (wie z.B. Gedankenunterdrückung, Vermeidungsverhalten).

Ziel der MCT ist es, dass Betroffene leidbringende kognitive Prozesse, wie Grübeln, Sich-Sorgen, Bedrohungsmonitoring erkennen, aufgeben und verändern können – und neue Wege lernen, mit negativen Gedanken und belastenden Emotionen umzugehen.

Im Fokus der Therapie stehen z.B. Übungen zur Wahrnehmung unterschiedlichen Modi des Erlebens („ich habe Gedanken, aber ich bin nicht meine Gedanken“), Aufmerksamkeitslenkung und losgelöste Achtsamkeit (Gedanken loslassen, ohne ihnen weitere Aufmerksamkeit zu schenken).

Die Schematherapie wurde in den 1990er Jahren von Jeffrey Young entwickelt, um chronisches psychisches Leiden, Persönlichkeitsstörungen zu behandeln. Sie entwickelte sich aus der kognitiven Verhaltenstherapie und integriert psychodynamische sowie andere psychotherapeutische Konzepte und Methoden.

Schemata sind, lebenslange Muster oder Themen, die sich in der Kindheit entwickelt haben und selbstschädigend wirken, wenn z.B. aufgrund negativer, schädlicher Beziehungserfahrungen elementare Grundbedürfnisse nicht ausreichend befriedigt wurden (grundlegende Sicherheit, Verbundenheit mit Anderen, Autonomie, Selbstachtung, Selbstausdruck und realistische Grenzen).

Aus Lebensfallen befreien
Schemata wirken aktiv auf unser gesamtes Erleben. D.h. wenn z.B. das Schema „Unzulänglichkeit“ aktiv ist, denkt, fühlt und handelt man, dass man unzulänglich ist. Um diesem Schmerz eines Schemas zu entgehen, entwickeln sich in der Kindheit Bewältigungsmodi, die bis in das Erwachensenalter bestehen bleiben können (Sich ergeben, Flucht, Kompensation). Die Folgen dieser Bewältigungsstile zeigen sich, z.B. dann im Eindruck ein „Opfer“ bei sich ständig wiederholenden Ereignissen zu sein, keine Gefühle zu spüren oder keine tiefergehenden Beziehungen eingehen zu können.

Wesentliche Ziele der Schematherapie sind das Erlernen eines besseren Zugangs zu den eigenen Emotionen und Bedürfnissen sowie eine selbstfürsorgliche Haltung. Ein wichtiger Aspekt dabei ist, es die bestehenden Bewältigungsstrategien zu analysieren, zu verstehen und zu verändern, um sich von schädigende Lebensmuster zu befreien.

Die Techniken und Übungen in der Schematherapie sind erlebnisorientiert, kognitiv und verhaltensbezogen.

Im therapeutischen Prozess und mit Unterstützung der therapeutischen Beziehung sollen die fehlenden gesunden elterlichen Qualitäten integriert werden (limited reparenting).

2. Welle – kognitive / Rational Emotive Verhaltenstherapie
Wesentliches Ziel der kognitiven Therapie (2. Welle), wie der Rational Emotiven Verhaltenstherapie ist es den Inhalt bestimmter Gedanken oder Überzeugungen zu verändern und eine kritische Distanz zum übermächtigen Denken zu entwickeln: Zu Erkennen wie herkömmliche Überzeugungen unsere Gefühle beeinflussen und wie wir durch eine inhaltliche Veränderung der Gedanken, unsere Gefühle und Verhalten verändern können.

Die Rational-Emotive Verhaltenstherapie (REVT) ist ein Grundkonzept kognitiver Verhaltenstherapie (KVT). Sie wurde in den 50er Jahren von Albert Ellis entwickelt und hat seit den 70er Jahren starke Verbreitung erfahren.

Ziel der REVT ist den Zusammenhang von Gefühlen, Bewertungen und situativen Auswirkungen zu veranschaulichen und die Fähigkeit zu entwickeln, das Erleben aktiv zu steuern und zu verändern. In der Therapie geht es darum, die Gefühle bewusst zu erleben und auszudrücken und dabei die Wechselwirkungen von Denken, Fühlen und Handeln wahrzunehmen. Dadurch entwickelt sich die Erfahrung, dem Leiden nicht hilflos ausgeliefert zu sein, sondern Mittel und Freiraum zu haben, um das eigene Erleben aktiv zu steuern und ein zufriedeneres Leben zu führen.

Die Therapie setzt an (gegenwärtigen und vergangenen) Konflikten, auf der Einstellungs-, Gefühls- und Verhaltensebene an.

Ereignis und Bewertung
Ursache für das Entstehen und Aufrechterhalten psychischer Störungen sind nach Ellis dysfunktionale kognitive Prozesse (Bewertungen, Schlussfolgerungen, Ideen) als sog. irrrational beliefs, die das Wohlbefinden beeinträchtigen und Verhaltensstörungen erklären.

Innerhalb des REVT-Methodenrepertoires nimmt das sog. ABC/DE Modell einen besonderen Stellenwert ein. Nach einem auslösendem Erlebnis (A), z.B. nicht Bestehen einer Prüfung, werden emotional oder verhaltensbezogene Consequences (C) (z.B. Depression) erlebt. Entgegen der Annahme, dass A zu C führt, sind es aber die eigenen Bewertungen / Beliefs (B), die zu dysfunktionalen Gefühlen und Verhalten führen. Ereignisse der Aussenwelt tragen zwar meist zu Gefühlen und Verhalten bei, verursachen sie aber meist nicht direkt. Durch einen veränderten inneren Dialog (D) kann es schliesslich zum Effekt (E), einer Neuorientierung kommen.

Im ABC-Schema geht es darum die Psychologik des alltäglichen Erlebens zu hinterfragen, bewusst zu machen und damit Veränderung zu ermöglichen.

Das Geschehen in einer Psychotherapie kann in jedem Moment aus mehreren verschiedenen Perspektiven betrachtet werden und damit unterschiedliche Bedeutungen eröffnen, wie z.B.

  • Ressourcen – Probleme
  • Bewusst – unbewusst
  • Intrapersonal – interpersonal
  • Motivational – potential
  • Jetzt – Veränderung