Humanistische Psychotherapie

Gesprächstherapie und Focusing

Die humanistische Psychotherapie (Gesprächstherapie und Focusing) geht davon aus, dass jeder Mensch den Wunsch und das Potenzial zur Selbstentfaltung hat und danach strebt ein sinnvolles und erfülltes Leben zu führen.

In der Therapie spielen die Prozesse des Erlebens im Hier und Jetzt und die wertschätzende therapeutische Beziehung eine entscheidende Rolle. Es geht darum, sich selbst in der Vielfältigkeit des Erlebens kennen zu lernen, sich zu erforschen und Gefühle und Einstellungen bewusster wahrzunehmen. Aufkommende Gefühle, Gedanken, Empfindungen im Prozess des Wandels zu erleben, anzunehmen und damit Freiraum für Entwicklung zu schaffen. 

Die Therapeut-Klient-Beziehung gilt als elementare Ressource für Empathie und eine akzeptierende und wertschätzende Haltung. Vorgehen in der Therapie sind u.a. die Differenzierung des Selbstgewahrseins, Förderung von Selbstempathie, Kreativität und Wachstum sowie das Befreien von festgefahrenen psychischen Blockaden. Das Erspüren, Schützen und Entwickeln von Identität, Grenzen und Eigenständigkeit in sozialen Beziehungen und das Unterstützen in der Orientierung an sinnstiftenden Werten.

Die humanistischen Psychotherapien, wie die Gesprächstherapie und das Focusing sind eher klärungsorientiert und helfen bei der Sinnsuche und der Persönlichkeitsentfaltung.

Die Gesprächstherapie wurde von dem amerikanischen Psychologen Carl Rogers (1902-1987) begründet. Sie gehört neben tiefenpsychologischen und verhaltenstherapeutischen Verfahren zu den wichtigsten wissenschaftlich anerkannten therapeutischen Hauptströmungen.

Die Innenwelt entdecken
Kennzeichen der Gesprächspsychotherapie sind das prozesshafte Erleben im gegenwärtigen Augenblick, die angeborene Fähigkeit zur „Selbst-Aktualisierung“ (das dynamische organische Prinzip positve Selbsterfahrungen anzustreben und negative zu vermeiden) sowie die Beziehung zum Therapeuten als eine menschlich-wertschätzende Begegnung.

Gefühle, Wünsche, Wertvorstellungen und Ziele stehen im Mittelpunkt der therapeutischen Interaktion. Der Klient ist selbst am besten in der Lage, im professionellen Gespräch seine persönliche Situation zu analysieren und Lösungen zu erarbeiten. Die Sichtweise des Therapeuten (Ratschläge, Bewertungen, Interpretationen) tritt weitgehend in den Hintergrund.

Wahrnehmen, ausdrücken und neu organisieren
Mit Unterstützung des Therapeuten können die ablaufenden seelischen und geistigen Prozesse (Gefühle, Gedanken, Vorstellungen, Projektionen, Muster) besser wahrgenommen und ausgedrückt werden. Dazu gehört auch die Vielschichtigkeit der Selbsterfahrungen zu erkennen und im Hinblick auf das eigene Selbst neu zu organisieren. Bei vielen Klienten entsteht dabei nicht nur eine Reduktion des ursprünglich-belastenden Problems, sondern auch eine Persönlichkeitsentwicklung, die als Zugewinn an Offenheit, Freiheit und Zufriedenheit beschrieben wird.

Hohe Wirksamkeit neurowissenschaftlich belegt
Das Verfahren betont jene Grundhaltungen, die Carl Rogers als Kongruenz (Echtheit), Akzeptanz und Empathie beschrieben hat. Die hohe Wirksamkeit dieser Haltungen wurde durch neurowissenschaftliche Forschungsergebnisse nachgewiesen.

Eugene T. Gendlin, Philosoph, Psychologe und Psychotherapeut entwickelte das Focusing in den 60er Jahren aus der klientenzentrierten Gesprächstherapie von Carl Rogers. In seiner Forschung über den Erfolg von Psychotherapien stellte er fest, dass diejenigen Menschen, erfolgreich mit Krisen und Problemen umgehen konnten, die körperliche Wahrnehmung mit in den Fokus rückten.

Damit möglichst viele Menschen sich diese Fähigkeiten zu eigen machen können, hat er seine Erkenntnisse als Methoden zur Selbsthilfe oder auch im therapeutischen Kontext systematisch weiterentwickelt und beschrieben.

Focusing ist mittlerweile ein weltweit verbreitetes Verfahren und kann nach Erlernen eigenständig praktiziert oder im therapeutischen Kontext eingesetzt werden.

Der Felt Sense – eine neue Erfahrungsdimension
Focusing basiert auf das unmittelbare Erleben im gegenwärtigen Augenblick und beschreibt eine nach innengerichtete Aufmerksamkeit. Sie beginnt mit der Wahrnehmung einer körperlichen Erfahrung einem vagen Unbehagen und Unklarheit, das am Rand zwischen Bewusstem und Unbewusstem liegt. Nach und nach entsteht eine deutliche Empfindung (Felt Sense – gefühlte körperliche Bedeutung), aus der weitere Entwicklung entsteht.

Erlebensorientierte Psychotherapie
Focusing-Therapie ist integrativ, am Erleben, am Lebensprozess und an der therapeutischen Beziehung orientiert. Das innere Erleben des Klienten und der therapeutische Beziehungsprozess werden als Teil des Lebensprozesses aufgefasst (inklusive des Erlebens des Therapeutens). Die Anwesenheit eines Menschen in diesem Prozess hat sich als sehr wirksam erwiesen. Da aus dem körperlichen Empfinden die nächsten Entwicklungsschritte entstehen, enthält sich der Therapeut direktiver Deutungen, Bewertungen und Ratschläge. Aufgabe des Therapeuten ist es, Freiraum zu schaffen, achtsam zu Verweilen und absichtslos zu Begleiten, damit sich die Selbstentwicklungstendenz frei entfalten kann. Damit eröffnet Focusing eine neue Erfahrungsdimension, die weder Gefühl noch Gedanke ist.

In schwierigen Situationen kann Focusing dabei helfen aus dem Körper heraus einen nächsten Schritt zu fühlen, einen den man vielleicht noch nie gegangen ist.

 

Das Geschehen in einer Psychotherapie kann in jedem Moment aus mehreren verschiedenen Perspektiven betrachtet werden und damit unterschiedliche Bedeutungen eröffnen, wie z.B.

  • Ressourcen – Probleme
  • Bewusst – unbewusst
  • Intrapersonal – interpersonal
  • Motivational – potential
  • Jetzt – Veränderung